Saturday, March 24, 2007

abbasseya und aguza

donnerstags verliess ich (fast) freiwillig zweimal meine wohnung. das ist an und für sich schon eine derartige seltenheit geworden, dass es erwähnung verdient. und dabei verließ ich sogar beide male meinen stadtteil!

normalerweise bewegen mich die aussichten auf das stecken im stau dazu, alle termine in die möglichst unmittelbare nähe meines wohnbezirks zu verlegen. aber ein anfall aus mitleid (mit einer erkälteten magisterkandidatin) und wagemut gab mir die power, das abenteuer gleich zweimal hintereinander zu wagen.

ich war früh aufgestanden, denn bevor ich die bereits korrekturgelesene magisterarbeit zu handke abliefern wollte, musste noch heftig in einer anderen weitergelesen werden. so wurde es denn auch halb 3, bis ich das haus verließ. aber el abbasseya ist nicht schwer zu erreichen. ich ging zur metro und fuhr nach manshiyet el sadr. wie lange habe ich das schon nicht mehr getan!

in el abbasseya fing alles an zwischen mir und ägypten. in el abbasseya habe ich am anfang gewohnt und gearbeitet - an der ain shams universität. und als ich dann in zamalek wohnte, habe ich 3 mal pro woche die metro nach manshiet el sadr genommen. voll war sie schon damals immer gewesen. am letzten donnerstagnachmittag war sie voller, als ich sie in erinnerung hatte. und es war heiss. aber im frauenwaggon gibt es auch im gedränge meistens solidarische atmosphäre. eine nötigte mich, meine tasche auf ihrem schoß abzustellen. später stand sie auf um einer frau mit baby platz zu machen und die tasche wurde der sitznachbarin übergeben. nur das aussteigen ist immer eine qual, weil prinzipiell jene bei der tür stehen, die nicht aussteigen müssen und das einsteigen immer gleichzeitig mit dem aussteigen passiert.

über abbasseya, schreibt robert solé in seinem "dictionnaire amoureux de l'égypte", fände man in keinem reiseführer mehr als eine zeile, wenn überhaupt. in abbasseya gäbe es nichts zu sehen. ich stieg in manshiyet el sadr aus und sah zunächst einmal, dass es nur eine zweite fussgängerbrücke gibt, die über die u-bahn-gleise führt. das ist zwar keine sehenswürdigkeit, aber es ist erfreulich, denn ich erinnere mich noch gut an die menschenstaus auf der brücke, die ich insgesamt nicht liebe, aber die morgens, wenn frau es eilig hat, doppelt unangenehm sein können. auf der anderen seite angekommen, freute ich mich am duft nach frischem gebäck, der dem geschäft meines lieblingsbäckers (er macht eine art hefekranz, die unserem striezel sehr ähnlich ist) entströmte. danach bog ich gleich in eines der winzigen gässchen ein, die durch den dorfähnlichen teil des stadteils führen. als abbas I, nach dem dieser stadtteil benannt ist, lebte, war hier nur wüste. abbas, ein enkel mohamed alis, hatte sich geweigert, sein land der aussenwelt zu öffnen. der dorfbezirk von abbasseya sieht so aus, als folgte man dieser politik hier noch immer: hühner und enten laufen über die straße, manchmal grasen ziegen auf dächern. keine frau sitzt je in einem der kaffeehäuser, das gemüse wird zum teil direkt vom eselskarren weg verkauft.

überquert man die gleise der straßenbahn, die es hier auch noch gibt, ändert sich das bild drastisch. plötzlich ist man mitten in einem markt. aber es ist kein gemüsemarkt, es ist ein bazar, der auf studentischen bedarf zugeschnitten ist. hier gibt es die buntesten und kitschigsten hefte, papier in allen formen und jede menge stifte. was brauchen studentInnen hier sonst noch? schals, parfüms und herzen und ähnliche gebilde aus samt und organza und mit goldstickerei werden zwischen den papierenen notwendigkeiten verkauft. der markt hat dem anwachsen der studentenzahlen rechnung getragen, indem er sich verdichtet hat. er ist größer geworden ohne an ausdehnung zuzunehmen, und so wachsen die wege zwischen den ständen ein wenig zu. wie sich das vor allem im ramadan auswirkt, wenn alle fast gleichzeitig die uni verlassen und den weg zur u-bahn oder zur straßenbahn nehmen, will ich mir erst gar nicht ausmalen. vielleicht gibt es aber auch dafür eine flexible lösung, auf die menschen aus europa gar nicht kommen würden.

nach dem markt ist die uni schon fast in sichtweite. mit der sharia khalifa ma'amun taucht auch ein ganz anderes abbasseya auf: die ain shams universität, eines der uni-spitäler und viele, viele militärische anlagen. war es vorher eng und verwinkelt, ist nun alles gross und weit. meine freundin samah wartet schon vor dem parkplatz in ihrem auto. auch sie hat nun 2 jobs und kann sich daher das auto leisten. darum muss sie auch trotz verkühlung nach unserem treffen noch zu einem termin. wir fahren ums eck, zum uni-gästehaus, wo ich am anfang meiner ägyptischen jahre gewohnt habe. wir geben uns kurzen reminiszenzen hin (mit samah war ich vor fast 5 jahren am kairo-tower, von samah habe ich gelernt, wie ich vom uni-gästehaus zur metro komme, sie fragt mich danach, wie das wohnen hier im gästehaus war). dann müssen wir schnell, schnell kurz über die arbeit sprechen (sie ist ausgezeichnet) und dann müssen wir schon wieder weg.

diesmal will ich ein taxi nehmen. nach einer weile findet sich ein taxifahrer, der bereit ist nach downtown zu fahren. das machen - wegen des dort garantiert herrschenden verkehrschaos - nicht alle. verwunderlicherweise gibt es auf der ramsis-strasse gar keinen stau. aber danach. ich habe etwas zum (korrektur)lesen mitgenommen, also ist mir das chaos draussen relativ wurscht und ich gelange leicht verschwitzt, aber in erfreulich heilem nervenkostüm wieder zu hause an.

ich rufe meinen abteilungsleiter an. er will mit mir essen gehen, es werden auch noch ein paar freunde von ihm mitkommen. ich packe neue papiere zusammen, drucke noch schnell etwas im internet-café aus und finde ein taxi nach aguza. dass davor 4 taxifahrer abgelehnt haben, hätte mir zu denken geben sollen. der tahrir-platz, das ständig voller autos pochende herz der stadt, scheint kurz vor dem stillstand zu stehen. wir schlängeln uns seitlich vorbei und stecken dann dort im stau. irgendwie geht es wieder weiter bis zur nilbrücke und dort stehen wir dann wieder mehr, als wir fahren. ich bereite ein interview mit meinem chef vor. ich sehe kaum auf, um den nilblick zu geniessen. erst auf der 2. brücke gönne ich mir einen längeren blick und denke daran, wie ich früher immer herzklopfen hatte, als ich den nil sah. oh, meine liebe zu kairo, wo ist sie geblieben?

irgendwann ist der nil überquert und damit sind wir in aguza. über aguza schreibt robert solé nichts. vielleicht wollte er ja keine worte für seinen "dictionnaire" verwenden, die nicht ins franzoesische alphabet passen. aguza beginnt mir einem "ain", einem laut, der entsteht, wenn man das a durch die zusammengepresste kehle herauswürgt. mir gelang der ain erst dann gut, als ich mir vorstellte, dass das a während des herauspressens auch noch eine eine umdrehung machen muss. ratschläge von native speakers: "it must hurt".

aguza beginnt mit der al nil-straße. diese straße, die sich den nil entlangzieht und sich leer durchaus wie eine prachtstraße ausnehmen könnte, ist am donnerstagnachmittag auto-nahkampf-gebiet. mein taxi quetscht sich zwischen den fahrzeugen durch, steht, hupt, quetscht sich weiter und landet schließlich an einer straßenecke beim "neama", einem ägyptischen fast-food-restaurant. dort bin ich mit dr. sayed verabredet. er wartet auch schon, und 3 seiner freunde ebenfalls. die männer sind zuvorkommend und überlassen mir im auto den beifahrersitz. und so bin ich schon mitten im abenteuer, denn mit 4 männern im auto zu fahren, könnte ich mir in meinem wohnbezirk nicht leisten. es ist "mish munasib", nicht angemessen. die menschen würden schlecht über mich reden und noch schlechter über meinen mann, der es zulässt, dass ich mich so benehme.

auch aguza hat eine fast dörfliche struktur: nach den hohen, palastartigen häusern am nil geht es übergangslos in kleine, verwinkelte gässchen mit meistens eher niedrigen häusern über. "aguza" heisst "alte frau" und war wohl vor langen, langen zeiten ein vorort von kairo. jetzt ist es mitten im großstadtmoloch. wir reden und fahren und schnell habe ich die orientierung verloren. wir essen im "al arabi" kebab und kofta. wie üblich sind die menschen (nicht nur die männer) fast schockiert, dass ich so wenig fleisch esse. wir sprechen deutsch und arabisch, sogar die eigentlich nicht deutsch sprechenden freunde von dr. sayed kramen worte wie "danke" und "sehr gut" hervor.

nach dem essen wollen alle gleich aufbrechen und ich habe noch immer nicht mein interview gemacht. wir beginnen auf der straße, wo wir ums auto herumstehen, weil weitere freunde angerufen werden. wir setzen im auto fort, fahren um weitere ecken und halten schliesslich vor einem ahwa (kaffeehaus). es ist ruhig genug, um vor dem ahwa zu sitzen. ich rauche seit ewigkeiten wieder einmal eine shisha und fahre fort, sayed über salzburg zu befragen. so soll ein authentischer text fürs erste studienjahr entstehen. die freunde haben sich inzwischen reduziert, dafür kommen andere - freunde oder stammgäste des ahwa - küssen die mit mir sitzenden männer und setzen sich manchmal dazu.

ich bin fertig mit interview und shisha und muss nur noch herausfinden, in welche richtung der rückweg anzutreten ist. die männer hätten mich auch dabehalten, aber ich weiss, dass sie auch gern unter sich sind und erkläre, dass ich in ägypten (fast) nach ägyptischen regeln lebe. das finden sie natürlich super und ich werde von ihnen sogar noch in ein taxi gesetzt. um halb neun bin ich zu hause: mehr als brav, zumal ja in bab el louq, wo ich wohne, niemand über meine "eskapaden" jenseits des nils weiss ;-))

Saturday, March 17, 2007

work is not permitted

natürlich musste auch in diesem studienjahr wieder einmal die zeit kommen, zu der ich mich in die mogamma, die inkarnation kafkaesker schreibphantasien, zu begeben hatte. eigentlich hätte diese zeit ja schon irgenwann im letzten herbst kommen sollen, allein, da lag die vertragsverlängerung mit meiner uni noch im hochschulministerium, von dem sie sich erst nach intervention durch die österreichische botschaft weiterbewegt hatte. wer war schuld?

ich natürlich! ich hätte nämlich meiner uni im juni schon einen brief schrieben müssen, dass ich wiederkomme. davon hatte mir zwar leider niemand was gesagt, aber das ändert nichts an meiner schuld. in ägypten ist nämlich nie wer schuld, jedenfalls kein ägypter und keine ägypterin. zum glück gibt es eine grosse menge an ausländerInnen hier, die können die schuld absorbieren. wenn sich das nicht ausgeht, gibt es noch immer reichlich auf im ausland lebende gruppen abzielende verschwörungstheorien...

trotz meiner schuld erhielt ich schliesslich den brief von der uni, den ich zum erhalt eines aufenthaltsvisums brauche. ich bekam ihn eine woche vor meiner abreise nach österreich und wagte mich zu diesem zeitpunkt nicht mehr auf die mogamma. bei der einreise hatte ich wieder ein monatsvisum, aber vor 2 wochen wurde der bedarf an einem neuen visum akut. also auf in die hochburg der bürokratie. die recht freundliche dame am ausländerInnenschalter nahm den brief in augenschein, befand, dass eine formulierung falsch sei, schrieb mir die neu zu schreibende zeile und empfahl mir, damit wieder auf die uni zu gehen. ich warf ein, dass mein visum bereits abgelaufen sei, sie wies mich auf die 2 wochen toleranzfrist hin, ich beteuerte, dass sich innerhalb von 2 wochen von der uni nix bekommen liesse. sie sah das ein und empfahl mir ein touristenvisum. ich beschloss, mich damit zu begnügen.

touristenvisum geht auch schneller als aufenthaltsgenehmigung - das ist für österreich nicht anders - ich dürfe in 4 tagen wiederkommen, sagte mir die nette dame, nachdem sie meine passkopien, den antrag und fotos in eine mappe geheftet hatte.

ich kam nach einer woche wieder. diesmal musste ich mich vor einem anderen schalter anstellen bzw. das tun, was in österreich anstellen wäre. ich klebte mich also an den menschenklumpen, der vor einem schalter zusammengeballt war, hinter dem niemand saß. ich war im klumpen die einzige frau, was ich nicht angenehm fand. die mich umklumpenden männer hatten diverse hautfarben und pässe. ohne rassistisch sein zu wollen, glaubte ich einen zusammenhang zwischen der dunkelheit der haut und der geschicklichkeit beim vordrängen zu erkennen. irgendwann sass auch jemand hinter dem schalter und irgendwann kam ich auch dran. mein "file" war aber nicht zu finden. ich instistierte, die - weniger freundliche und sehr überarbeitete - beamtin suchte nochmals, aber ohne ergebnis. "go to their boss", riet mir ein sudanesich aussehender leidensgenosse, und ich tat das auch.

ich überschüttete den boss mit einem wortschwall, der zumindest für ausländerInnen arabisch geklungen hätte. er nahm auch zur kenntnis, dass ich mich beklagte und gab mir einen büroboy mit, der sich vor mir durch das auf den gängen herrchende gedränge wand. wir waren wieder beim schalter der einreichung, in dessen hintergrund der visaantrag auch gefunden werden konnte. allerdings mussten daran offensichtlich noch einige schreibarbeiten vorgenommen werden. zum glück tauchte hisham auf, als ich dabei war, die nerven zu verlieren. das heisst: sein glück war es natürlich nicht, mich bei einem heruntergewürgten tränenausbruch zu beobachten.

immerhin war so die zeit, die es brauchte, bis die erforderlichen vermerke in dem mich betreffenden mäppchen vorgenommen worden waren, verstrichen, und wir durften wieder zum abholschalter. wenn ich mich daran erinnere, wie entspannt ich die ersten beiden male die mogamme besucht hatte, und wie mir im letzten jahr durch einen schreianfall immerhin innerhalb von einer woche ein aufenthaltsvisum ausgestellt worden war, ist mir nicht begreiflich, wieso ich den vermerk der beamtin, dass ich nun in 2 stunden wiederkommen dürfe, nicht mit mehr ruhe quittiert habe. ich verlangte nur meinen pass zurueck und sagte, ich ginge nun zum reisebüro und würde das land sofort verlassen, das ja offensichtlich keinen wert auf meine anwesenheit lege und in dem ich wie scheisse behandelt würde. hier war die anwesenheit hishams ein nachteil, denn automatisch hatte ich diesen gefühlsausbruch auf englisch. daher verstand die beamtin nur "shit", was sie auf sich bezog. sie war zutiefst beleidigt, ich auch, und wir zogen hintereinander zum boss - ich mit dem pass, sie mit dem mäppchen, hisham hinter uns drein, versuchend zu kalmieren. der boss nahm pass und mäppchen und wir wurden beschieden, dass wir das visum in einer viertelstunde abholen könnten. ich war zwar wirklich nicht mehr scharf auf das visum, und hätte mich über einen grund zur sofortigen abreise sehr gefreut, aber den hatte man mir vorläufig weggenommen.

nach einer viertelstunde gab es tatsächlich das visum. wie jedes touristenvisum trägt es den vermerk "work is not permitted". ich kann also noch immer hoffen, dass jemandem auffällt, dass ich hier ohne arbeitgenehmigung arbeite und ich des landes verwiesen werde. aber diese chance ist äußerst gering. ich muss also voraussichtlich noch 92 tage warten, bis ich dieses land verlassen darf, das dem touristen so gastlich erscheinen mag und den neu ankommenden auch. denn ich will nicht vergessen, dass ich hier auch einmal gute zeiten hatte.

anderentags sass ich mit walter und christine grond und 2 schweizer freunden von ihnen sowie 2 leuten von der österreichischen botschaft und einem uni-kollegen in al minia im uni-klub in der sonne. der nil zog vorbei, und auch die gedanken und gespräche. die sonne schien - da ich mit ausländerInnen sass - zur abwexlung sogar auf unsere gesichter. die lesung von grond, die im chaos begonnen hatte, war sehr erfolgreich gewesen. um die offiziellen partien im büro der dekanin war ich dank meines unterrichts herumgekommen. jetzt war es nur noch schön. jeder wunderte sich, dass ich nicht öfters in al minia übernachte, weil es hier so schön sei. wir machten auch noch einen langen spaziergang an der corniche - und die nilpromenade ist wirklich die schönste in ganz ägypten. so sollte es immer sein! am ende machte es mir nicht einmal mehr etwas aus, dass ich nicht den früheren zug nach hause hatte nehmen können (denn sogar darüber hatte ich mich mittags noch gegrämt)...

und wenn ich einmal finde, dass mir die arbeit zu viel wird, kann ich ja jetzt simpel mein visum herzeigen, das eigentlich meinen neigungen entgegenkommt: ich darf nicht arbeiten. al hamdullilah! wenn das nur jemand ernst nehmen würde! ;-))

Saturday, March 3, 2007

kairo bei nacht (eine meditation)

kairo bei nacht ist ein un-ort für verheiratete frauen, außer sie sind mit ihren männern unterwegs (die nehmen sie aber nicht immer gern mit).

kairo bei nacht ist ein un-ort für unverheiratete frauen, außer sie sind bei einer hochzeit oder mit ihrer familie unterwegs (am besten beides).

kairo bei nacht beginnt für die meisten ägypterinnen um 10. dann müssen sie zu hause sein, ausser sie sind in begleitung (siehe oben). ausnahme (= heimkommen zwischen 11 und 12): frau hat ein auto. (im fall einer panne muss ein männliches familienmitglied zu einer nächtlichen rettungsaktion aufbrechen.

kairo bei nacht kann für ausländerinnen ein bisserl ausgedehnt werden. aber um 12 uhr ist jede frau zu hause, die nicht den eindruck erwecken will, sie warte nur darauf, aufgerissen zu werden. ausnahme (in den "besseren" stadtteilen): frau hat ein auto (aber besser keine panne). ich muss aber zugeben, dass ich mich auch schon mal um 3 uhr nachts nach einer party, allein und zu fuß in dokki verirrt habe und dennoch weder die stadt in ihren grundfesten erschüttert wurde noch sonst nennenswertes geschah. kairo ist nämlich prinzipiell eine sehr sichere stadt. und nicht unfreundlich.

kairo bei nacht sind parties in wohnungen, meistens ex- und inpatriates gemischt. manche parties sind bekannt wie öffentliche orte und wer will, geht auch hin. viele gastgeber halten das nicht längerfristig aus, aber neue (meistens aus der foreign community) kommen nach. und die standardpartygäste sind so gut organisiert, dass es genügt, einen von ihnen einzuladen, und bis zu 50 kommen vorbei. das schönste an den parties ist der balkon, vor allem, wenn es sich um wohnungen mit nilblick handelt. leider sind auf den balkonen meistens menschen, die den blick zerreden wollen oder die nil-kontemplation sonstwie stören.

kairo bei nacht ist die pyramidenstraße. oder gam3at dowwal arabeyya in mohandessin. keine orte für frauen, außer jenen, die von den aegyptern als "bitch" bezeichnet werden. mit diesem wort ist man(n) hierzulande sehr freigiebig. auch wenn man(n) das wort nicht verwendet, die frauen werden ihrem (zugeteilten) status gemäß behandelt. mich wundert nur, dass das manche nicht zu stören scheint...

kairo bei nacht war für mich am anfang sehnsucht, nach irgendwas, was da draußen doch sein muss. was passiert nach den konzerten, der oper, den sonstigen events? damals hatte ich aber selbst eine wohnung mit nilblick und war sehr zufrieden mit vorstellungen und träumereien - inklusive sehnsucht.

kairo bei nacht war, wie ich bald herausfand, nur auf parties und in bestimmten gruppen spannend. wenn man zu lange mit der gleichen gruppe unterwegs ist, wird es schnell ebenso fad wie wenn sich die gruppe auflöst, meistens durch abreise.

kairo bei nacht gibt es in diversen discos. die interessanteren davon sind so teuer, dass sie gar nicht so viel bieten können, dass es sich auszahlt, hinzugehen. ich werde mich aber immer mit freuden an das soft-opening vom latex erinnern, als wir keinen eintritt zahlten und die tanzfläche nur uns gehörte - mir und 6 freundInnen. danke, liebes latex, für dieses geburtstagsgeschenk!

kairo bei nacht ist auch das after eight, wo die tanzfläche so winzig ist, dass es an ein wunder grenzt, dass man doch immer irgendwie platz findet. die live-bands werden ebenfalls auf eine unglaublich enge "bühne" gequetscht. und wer after eight sagt, soll auch den cairo jazz club erwähnen, ebenfalls mit live musik. und immer muss vorher ein tisch gebucht werden, sonst wird man nur ausnahmsweise eingelassen (aber zumidest frau letztlich doch immer).

kairo bei nacht ist am schönsten, wenn man zum flughafen fährt, einmal ohne stau, auf der 6.-oktober-brücke, über und zwischen den lichtern der leuchtreklamen und auf du und du mit den minaretten der moscheen.

kairo bei nacht ist anstrengend, weil man eh schon vom tag mued ist oder vom stau oder der schlechten luft, meistens von allem gemeinsam.

kairo bei nacht ist etwas für die, die tagsüber schlafen. meistens ägyptische maenner, die sind wie jungs und ihr "business", was auch immer es sein mag, erst gegen mittag starten, wenn überhaupt. sie gehen erst gegen mitternacht aus, vor allem im sommer. dann wird die shisha geraucht und karten gespielt, dazwichen gibt es jede menge schwarzen tee. wenn einer aufgeben will, halten ihn die anderen zurück, mindestens bis vier uhr morgens.

kairo bei nacht ist im sommer ganz anders als im winter. im winter gehen wirklich nur die hartgesottenen aus, und auch die oft nicht lange. es ist einfach zu kalt - draussen und drinnen. im hochsommer sind fast alle draussen: die urlaubenden saudis, die familien ohne klimaanlage, die menschen, die die hitze des tages scheuen (und das sind eben fast alle ägypterInnen. die ausländerInnen kommen mit hitze üblicherweise besser zurecht.) nachtaktivitäten: auf den nilbrücken picknicken, auf dem nil mit der fellukka fahren, einen klimatisierten ort aufsuchen, um was kaltes zu trinken (das können sich nur wenige leisten, aber wenige von 20 millionen sind auch schon einige), freundInnen oder familienmitglieder mit klimatisierten wohnungen besuchen, am nil spazierengehen, mit dem auto herumfahren und warten, bis es kühl genug ist, sodass es hoffnung gibt, dass man einschlafen kann.

kairo bei nacht ist fernsehen und dann bemerken, dass es schon 2 ist.

kairo bei nacht ist sich mit einer freundin verquatschen, dort übernachten und am nächsten morgen im stau heimfahren müssen. mit mehr glück ist es freitag und die straßen sind leer und du kannst gehn und glaubst für einen moment, du hättest die stadt ganz für dich allein.

kairo bei nacht waren tarek und mounia, wedad und todd. und mit einer nacht war es oft nicht getan, sodass wir ganze wochenenden damit verbrachten zu versuchen, vom ort des treffens aufzubrechen, doch noch gemeinsam zu frühstücken, mittag zu essen, neue leute einzuladen, in ein neues gespräch zu kippen, doch wieder dort zu übernachten, wo wir gerade waren. tarek und mounia sind in deutschland. todd und wedad in washington. den plan einer internet-party, den wir einmal hatten, haben wir nie in die tat umgesetzt.

kairo bei nacht ist shisha auf dem moqattam, wenn es heiss ist und man hofft, dort doch noch einen kühlen lufthauch abzukriegen. einmal rauchte ich zu viele steine, dann wurde die nacht recht lang und ich lernte, wie nachhaltig eine überdosis tabak wirkt.

kairo bei nacht war einmal nicht weit von den pyramiden. wir schliefen bei einem reitstall im auto, während die jungs karten spielten. dann ritten wir in die morgendämmerung und warteten auf den ersten sonnenstrahl, der auf die pyramiden schien. bevor die sonne hochstieg, mussten wir zurück sein, anderes hätten weder die pferde noch wir ausgehalten.

kairo bei nacht war neulich - eine arbeitsbesprechung, die erst um halb elf begann. um 2 brachte mich die kollegin mit dem auto nach hause. da sie mir das neue auto vorführen wollten und wir die fahrt für ein paar private worte nutzten, brauchten wir eine halbe stunde für einen weg, der zu fuß 5 minuten dauert. ausser einem straßenkehrer war in dieser zeit niemand zu sehn (es war winter).

kairo bei nacht ist die zeit der einsamkeit vieler. dann, wenn austauschstudentInnen ihren kairo-koller bekommen und ägypterInnen sich ins internet oder lange telefongespräche flüchten. kairo bei nacht ist für viele auch die zeit zu lesen, zu schreiben, zu forschen.

kairo bei nacht ist nur lustig, wenn man ein auto hat.

kairo bei nacht ist nicht lustig, wenn man ein auto hat, aber damit im stau steckt - und den kann es in downtown oder zamalek oder mohandessin oder haram auch um halb 2 noch geben. wahrscheinlich auch in heliopolis, aber dort fahr ich nie hin, weil mir der stau dort auf die nerven geht. (dabei soll es in nasr city noch schlimmer sein!) manchen jungs macht offensichtlich der stau nichts aus. sie hängen sich aus den autofenstern und versprühen partylaune. nachdem ägypten letztes jahr den afrika-cup gewonnen hatte, waren alle hauptverkehrsstraßen party-zone. man war zwar mit dem auto unterwegs, aber das fahren war dabei nebensache.

kairo bei nacht können onkel sein, die ihre familienbesuche so spät machen, dass die hausfrau fast weinen muss bei der vorstellung, dass jetzt tee gekocht wird und sie noch nicht schlafen gehen kann.

kairo bei nacht sind mitternächtliche anrufe von chefs, studentInnen und vielen anderen menschen mehr, die ganz verwundert sind, dass jemand um 12 schon schlafen geht (oder schon schläft). Den vogel abgeschossen haben in dieser hinsicht bei mir dennoch nicht die ägyptischen freudInnen und freunderln sondern dine petrik, eine österreichische schriftstellerin: halb 3. alf mabruuk!

kairo bei nacht ist nicht mehr wirklich etwas, was mich interessiert. eigentlich schon lang nicht mehr. es sei denn, kairo bei nacht sind die mitternachtsgespräche mit hisham. aber für die brauchen wir kairo nicht. oder?

danke an herbert für die inspiration.